Besichtigung von 4 Feuerwehr- und Rettungswachen in NRW

Im Hinblick auf die angekündigte Reform des luxemburgischen Rettungswesens tauchen immer wieder die gleichen Fragen auf: Wie kann man den Rettungsdienst effektiver machen, Hilfsfristen senken und die Qualität steigern? Welche Einsatzbelastung kann man einem Freiwilligen anmuten und wie kann man ihn dafür angemessen entschädigen? Wie kann man hauptamtliche Kräfte gezielt einsetzen ohne Spannungen zwischen den freiwilligen und bezahlten Einsatzkräften zu erzeugen?

In diesem Zusammenhang hat eine 7-köpfige Delegation der Einsatzzentren Bettemburg und Düdelingen auf Eigeninitiative am 26. und 27. November 2010 vier Feuer- und Rettungswachen in Nordrhein-Westfalen besichtigt. Hintergrund der kurzen Reise war das Sammeln von Informationen, wie die Verantwortlichen im Ausland das gleiche Problem angegangen sind und welche Lösungen verwirklicht werden konnten.

Die vier besichtigten Feuer- und Rettungswachen in Langenfeld, Ratingen, Mülheim an der Ruhr und Dorsten entsprechen in etwa der Größe eines gemeinsamen Einsatzzentrums Bettemburg-Düdelingen und wurden erst in den letzen zwei Jahren neu gebaut. In allen vier Wachen arbeiten hauptamtliche Kräfte die von ihren freiwilligen Kollegen unterstützt werden.

Freiwilliger Einsatz - ohne Belastung

Besonders auffällig für uns war, dass in allen vier Wachen eine strikte Trennung, meist sogar durch bauliche Aufteilung auf zwei Gebäude, zwischen Hauptamtlichen und Freiwilligen besteht. Alle Verantwortlichen bestätigten, dass dies der allgemeine Wunsch beim Neubau gewesen wäre und nur so Spannungen, sei es im Umgang mit dem Material oder beim Aufenthalt im Freizeitbereich, zu vermeiden wären. Außerdem könne man so Störungen der hauptamtlichen Kräfte, die schließlich auch nachts arbeiten müssen, vermeiden.

Dadurch dass die freiwilligen Feuerwehren eigenständig tätig sind, sind sie zur Entlastung auch nur teilweise in den aktiven Einsatzdienst eingebunden. Jede Wache hat in diesem Punkt eine eigene Lösung gefunden.

In Ratingen werden die Freiwilligen zum Beispiel bei jedem Einsatz, immerhin 8-10 Stück pro Woche, mitalarmiert, wechseln sich jedoch in zwei Gruppen in einem Wochenrhythmus ab. In Mülheim und Langenfeld werden die freiwilligen Kräfte immer nur im 2. Abmarsch, das heißt nur als Verstärkung für die Hauptamtlichen, alarmiert. Doch auch hier kann sich eine Einsatzzahl von 50-100 Einsätzen pro Jahr zeigen lassen.

Interessant ist auch, dass der Rettungsdienst ausschließlich von Hauptamtlichen durchgeführt wird und Freiwillige höchstens als Praktikum oder als 3. Mann auf dem RTW mitfahren können. Um trotzdem eine hohe Qualität garantieren zu können, müssen die ehrenamtlichen Einsatzkräfte teilweise die gleiche Ausbildung durchlaufen wie ihre hauptamtlichen Kollegen.

Die Verantwortlichen aller vier Wachen waren sich in dem Punkt einig, dass die freiwilligen Kräfte absolut notwendig sind um auch einer Großschadenslage kompetent entgegenwirken zu können. Alle genannten Maβnahmen erfolgten nach der Idee, den Freiwilligen eine spannende und fordernde Einsatzmöglichkeit zu gewähren, ohne sie jedoch dabei zu überlasten. So können die Freiwilligen auch außergewöhnliche Aufgaben übernehmen, vom Rettungstaucher bis zum Gefahrgutzug. Erwähnenswert ist in diesem Kontext Mülheim an der Ruhr, die erst 2001, nach 50 Jahren Einsatz mit nur hauptamtlichen Kräften, wieder eine freiwillige Feuerwehr gegründet hat!

Hygiene als absoluter Standart

Ein wichtiger Ansichtspunkt bei der Besichtigung der vier Wachen fiel ebenfalls auf die bauliche Umsetzung. Da alle vier Rettungswachen erst in den letzen 2 Jahren fertig gestellt wurden, entsprechen sie in Sachen Unfallverhütung, Logistik und Aufteilung den modernsten Standards.

Hygiene galt dabei in allen Wachen als oberstes Gebot: Hygieneboards an den Wänden, Schleusen zu den Garagen, Trennung von Feuerwehr und Rettungsdienst… Die Kollegen aus Ratingen erzählten von 6-7 Infektionstransporten am Tag, natürlich mit nachträglicher Komplettdesinfektion des RTWs unter der Aufsicht eines staatlich geprüften Desinfektors – für Luxemburger Verhältnisse eine zur Zeit unvorstellbare Aufgabe.

Mülheim an der Ruhr präsentiert stolz die neue Desinfektionsgarage für Großfahrzeuge, so kann selbst eine Drehleiter respektiv ein Tanklöschfahrzeug im Notfall komplett desinfiziert werden. Ein Kleiderpool respektiv ein interner Waschdienst gilt da schon als selbstverständlich!

„Wir bauen unsere Möbel selbst“

Mit dieser Aussage überraschte uns der Verantwortliche der Wache in Langenfeld. Geld und Ressourcen sparend, kann man die Langenfelder Lösung für die Personalplanung nennen. In der Wache wurden unteren anderem eine Schreinerei sowie eine kleine KFZ-Werkstatt eingerichtet: so kann man ausgebildete Kräfte einstellen die ihre Berufserfahrung einerseits auf dem Einsatz ausnutzen können, aber auch wie im Fall Langenfeld das komplette Mobiliar für die Wache anfertigen oder die Reparaturen am Fuhrpark übernehmen.

Dieses Personalkonzept fand sich in jeder Feuerwache wieder: professionelle Schlauch- und Atemschutzwerkstätte, logistische Materiallager die man selbst mit einem Großfahrzeug befahren kann, eigenes administratives Personal…

Auch eine Einsatzleitzentrale fand sich in jeder der vier Wachen. Ständig von 1-2 Mann besetzt, koordinieren die Wachen ihre von der regionalen Leitstelle zugeteilten Einsätze komplett eigenständig. Besonders im Fall eines Großschadenereignisses, wie zum Beispiel bei Hochwasser, ein enormer Vorteil: der Disponent kennt seine Fahrzeuge und sein Material und kann so eine logistisch bessere Aufteilung garantieren. Die regionale Leitstelle wird dabei ständig auf dem Laufenden gehalten und ist weisungsbefugt, eine Aufteilung die für beide Seiten die Arbeiten deutlich erleichtert und übersichtlicher macht.

Kartenspielen beim Großeinsatz

Jede der vier Wachen präsentierte ihren eigenen Stabsraum: ein fertig ausgestatteter Raum für die Einsatzleitung im Falle eines Großeinsatzes. Mit fertigen Rollcontainern die das nötige Material für die jeweilige Person bereithalten, kann innerhalb von Minuten eine komplette Einsatzführung, auch mit offiziellen Beisitzenden wie zum Beispiel dem Bürgermeister, aufgebaut werden.

Eine genaue Übersicht des vorhandenen Materials, sei es die Anzahl der vorhandenen Sandsäcke, ermöglicht jederzeit ein vorausschauendes Handeln. Auch das Bereithalten von allen möglichen taktischen Einsatzkarten schafft im Einsatzfall einen bemerkenswerten Vorteil. Ein absolutes Muss für Industrie- und Gewerbegebiete, was jedoch von rein freiwilligen Kräften auch mit größtem Einsatz nur schwer auf dem neusten Stand gehalten werden kann.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg…

Die Besichtigung der vier Feuer- und Rettungswachen hat uns in vielen Hinsichten regelrecht die Augen geöffnet. Die Verantwortlichen der Wachen gaben uns diverse kleine Anregungen die auch heute schon ohne großen Aufwand zu erreichen sind. Welche Pläne schlussendlich umsetzbar sind, hängt natürlich auch von den politischen Verantwortlichen ab, diese Besichtigung gab uns jedoch einen Einblick, dass ein zukunftweisendes Konzept mit dem richtigen Willen und Einsatz möglich ist! Damit auch wir dem nächsten Patienten eine Hilfsfrist von 8 Minuten garantieren können!

Text & Fotos : Tom BARNIG

Centre d’Intervention Bettembourg


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